Der deutsch-französische Dialog ist der französische Gewinner des vom Europäischen Parlament vergebenen Europäischen Bürgerpreises. Mehr Informationen zur Auszeichnung finden Sie im nachstehenden Artikel.
KONTEXT UND ZIELSETZUNG
2019 wurde der Vertrag von Aachen von der französischen und der deutschen Regierung unterzeichnet, um die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich zu stärken. Diese deutsch-französische Zusammenarbeit wird von den Einwohnerinnen und Einwohnern der Grenzregionen Baden-Württemberg und der Region Grand Est seit langem unmittelbar gelebt. Die COVID-19-Pandemie hat die Einwohnerinnen und Einwohner der beiden Länder unterschiedlich getroffen und sich stark auf die Dynamik der deutsch-französischen Zusammenarbeit ausgewirkt. Die im Frühjahr in der Notlage der Gesundheitskrise getroffene Entscheidung, die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland zu schließen, hat bei den Einwohnerinnen und Einwohnern, die erlebten, wie die Grenze (wieder) Wirklichkeit wurde, hinsichtlich der grenzüberschreitenden Region zu Spannungen und Verwirrung geführt.
Dieser deutsch-französische Dialog eröffnet die Möglichkeit eines Austauschs zwischen Einwohnerinnen und Einwohnern der beiden Grenzregionen Baden-Württemberg und Grand Est über ihre Erfahrungen aus der COVID-19-Krise, mit der deutsch-französischen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und ihre Wünsche für die Zukunft dieser Zusammenarbeit in allen Bereichen. Dazu wurden 40 Bürgerinnen und Bürger aus allen Alters-, sozialen und Berufsgruppen, die mehr oder weniger nahe der Grenze leben, ausgewählt, die in vier Sitzungen von jeweils eineinhalb Tagen zusammenkamen. Während dieser Sitzungen berieten sie im Plenum und in Untergruppen und erhielten außerdem Informationen von Referentinnen und Referenten, die auf verschiedene Bereiche der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit spezialisiert sind. Im Anschluss an diese 4 Sitzungen legten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Politik Handlungsempfehlungen vor, wie die deutsch-französische Zusammenarbeit in der grenzüberschreitenden Region verbessert und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Gesundheitskrisen gestärkt werden kann.
„Der Ausbruch der Krise im März/April hat uns gespalten, aber jetzt, wo die Situation überall gleich ist, hat uns sie näher zusammengebracht. Wir beginnen, wirklich eine gemeinsame Kultur zu schaffen, um der Pandemie die Stirn zu bieten.”
– Patricia, 51, Teilnehmerin der ersten Sitzung
AUFGABENSTELLUNG
Missions Publiques koordiniert alle Phasen der Initiative: die Erstellung des Mandats und des strategischen Rahmens, die Vorbereitung und Moderation der Sitzungen, die Abfassung der zusammenfassenden Berichte zu den Sitzungen und die Kommunikation.
- Strategischer Rahmen: Missions Publiques hat in Zusammenarbeit mit der Region Grand Est und dem Land Baden-Württemberg in regelmäßigen Abstimmungstreffen das Mandat der Initiative und die Themen der Sitzungen ausgearbeitet, um sicherzustellen, dass die Initiative den spezifischen Bedürfnissen des grenzüberschreitenden Gebiets entspricht.
- Vorbereitung und Moderation von Sitzungen: Missions Publiques bereitet die Sitzungen gemäß dem ausgearbeiteten Mandat und mit den beteiligten Partnern vor. Die Vorbereitung der Sitzungen umfasst die Suche nach Referentinnen und Referenten, die aufgrund ihres Fachwissens und auf der Grundlage der von den Bürgerinnen und Bürgern in der vorherigen Sitzung geäußerten Wünsche/Bedürfnisse ausgewählt werden. Missions Publiques stellt mit Unterstützung unserer Partner auch die Moderation dieser Sitzungen (online) und die Moderation in den Untergruppen sicher.
- Abfassung der den Meinungsaustausch zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern und den Referentinnen und Referenten zusammenfassenden Sitzungsberichte in deutscher und französischer Sprache.
- Kommunikation zum Prozess: Öffentlichkeitsarbeit durch Missions Publiques in Abstimmung mit dem Deutsch-Französischen Bürgerfonds (Interviews mit Bürgerinnen und Bürgern und Partnern, Verbreitung in sozialen Netzwerken usw.).
Mehrwert des Konzepts
Der deutsch-französische Dialog zur Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Kontext von COVID-19 ist die erste von Missions Publiques durchgeführte deutsch-französische Initiative. Diese Initiative ist Teil einer allgemeineren Bestrebung, die deutsch-französischen Beziehungen durch partizipative Demokratie und das Engagement von Bürgerinnen und Bürger beider Länder punktuell oder mit langfristigen Initiativen zu stärken.
Es handelt sich dabei gleichermaßen auch um eine zweisprachige deutsch-französische Initiative mit allen Herausforderungen und Möglichkeiten, die dies bezüglich Technik, Teamkoordination, Kommunikation mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, Moderation usw. mit sich bringt. So wird beispielsweise jede Sitzung von einem Team deutsch-französischer Dolmetscher begleitet, die dafür Sorge tragen, dass es keine Verständnisprobleme gibt.
Ergebnisse
Auf regionaler Ebene handeln
Die Bürgerinnen und Bürger übergaben die Empfehlungen in der letzten Arbeitssitzung an Staatsrätin Gisela Erler (Land Baden-Württemberg) und Regionalrätin Claudine Ganter (Région Grand Est), damit diese in den politischen Strategien Berücksichtigung finden.
Konkretes Beispiel: In Baden-Württemberg wurden die Bürgerempfehlungen als Kompass genutzt, um die politischen Überlegungen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Rahmen der Koalitionsverhandlungen des Landes zu bereichern. Nach der Bildung der neuen Regierung wurden sie dem neuen Staatssekretär für Europa und grenzüberschreitende Zusammenarbeit des Landes Baden-Württemberg, Florian Hassler, vorgelegt, um die Strategie des Landes für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu bereichern.
Handeln auf nationaler Ebene
Neben unserem Engagement auf Landesebene haben wir uns an der Seite des Landes Baden-Württemberg und der Region Grand Est engagiert, um unseren Ansatz und die entstandenen Handlungsempfehlungen bei den institutionellen Akteuren und der Zivilgesellschaft auf nationaler Ebene zu bewerben. Alle Empfehlungen wurden an die zuständigen nationalen Ministerien und Abgeordneten weitergeleitet. Dieser Multigouvernance-Ansatz ist wichtig, um den Herausforderungen der grenzüberschreitenden Governance zu begegnen. Aufgrund des interkultureller, deutsch-französischer Unterschiede ist die Verteilung der politischen Kompetenzen teils asymmetrisch.
Konkretes Beispiel: Präsentation unseres Projekts für Michael Roth, Staatsminister für Europaangelegenheiten, im Rahmen seines diplomatischen Besuchs in Paris im Herbst 2021.
Auf europäischer Ebene handeln
Im Sinne der Schaffung von Sichtbarkeit und Wirkung erschien es uns wichtig, den Ansatz auf europäischer Ebene zu fördern und die Wahrnehmung des grenzüberschreitenden Lebensraums als Labor der europäischen Integration damit zu stärken.
Konkretes Beispiel: Im Oktober 2021 präsentierten die Teilnehmer unseren Dialog und ihre Empfehlungen im Rahmen des World Democracy Forum des Europarats. Im Anschluss an die Präsentation fand eine Debatte zwischen lokalen, nationalen und europäischen Entscheidungsträgern über die Umsetzung der Empfehlungen statt.
Auf der letzten Sitzung im April 2021 nahmen Staatsrätin Gisela Erler (Land Baden-Württemberg) und Staatsrätin Claudine Ganter (Region Grand Est) die von den Bürgerinnen und Bürgern ausgearbeiteten Empfehlungen entgegen.
Alle Bürgerempfehlungen finden Sie in unserem Bericht, indem Sie auf den unten stehenden Link klicken.